- Plautus, Terenz, Seneca: Formen des römischen Dramas
- Plautus, Terenz, Seneca: Formen des römischen DramasPossenspiel auf Stegreifbühnen gab es in Italien von alters her: Im Mimus (der improvisierten Darstellung komischer Alltagsszenen), den wir in seiner griechischen Form vor allem aus Sizilien kennen, wurden Alltagsszenen auch derb-obszönen Inhaltes als Burlesken wiedergegeben. Daneben gab es in Italien die nach der oskischen Stadt Atella genannte, improvisierte Atellane, die ähnliche Inhalte, aber feste Typen hatte: Pappus, den Alten, Maccus, den Verrückt-Spaßigen, Bucco, den besonders Gefräßigen, und Dossenus, den Buckligen. Beide Formen des Spiels lebten später neben der von den Griechen übernommenen Komödie fort, wirkten auf sie ein und gingen seit der späten Republik auch in die Literatur ein. Eine griechische Komödie übertrug zuerst Livius Andronicus für die Ludi Romani (240 v. Chr.) ins Lateinische; ihm folgte Naevius; beide kennen wir als Verfasser römischer Epen. Die Komödiehatte griechische Inhalte, Personen und Schauplätze. Naevius führte zwar auch Komödien mit römischen Inhalten ein, von dieser Komödienart sind aber nur wenige Fragmente überliefert.Für die vollständig erhaltenen 20 Stücke des Plautus und die sechs des Terenz war die griechische »Neue Komödie«, vor allem des Menander, Vorlage. Dabei wurden auch Teile aus verschiedenen Vorlagen kombiniert. Grundsätzlich unterscheidet sich Plautus von Terenz durch die größere Lebendigkeit der Bühnenhandlung bis hin zu handfester Situationskomik, durch die auffällige Selbstständigkeit der einzelnen Akte, wobei der Einfluss der Atellane zu spüren ist, durch die größere Bedeutung der gesungenen Teile und durch die Bandbreite seiner eigenwilligen Sprache, die vom Umgangssprachlichen bis zum Hochpathetischen reicht. Einen Sonderfall stellt der »Amphitruo« dar, bei der Plautus von einer Tragikomödie spricht. Denn hier treten nicht nur Menschen wie sonst auch in der Komödie, sondern Götter auf: Jupiter setzt - von Merkur unterstützt - dem Amphitruo Hörner auf. Terenz bemüht sich, mit feiner Argumentation die Handlung kontinuierlich zu entwickeln; dabei verwendet er die Umgangssprache der Gebildeten; seine Stücke sind von versöhnlicher Humanität getragen.Auch eine griechische Tragödie hat als erster Livius Andronicus ins Lateinische übertragen (240 v. Chr.), auch hier folgte ihm Naevius und schuf zur lateinischen Tragödie, die griechische Inhalte hatte (Fabula palliata), eine, die im römischen Bereich angesiedelt war (Fabula togata). Von den Tragödien der beiden wie von denen der großen römischen Tragiker der republikanischen Zeit, Ennius, Pacuvius und Accius, sind nur Fragmente überliefert. Gemeinsam war ihnen allen ein hohes Pathos, groß war bei allen der Einfluss des griechischen Tragikers Euripides. Von den meisten Tragödien der Folgezeit kennen wir nicht viel mehr als die Titel; das gilt auch für die »Medea« des Ovid.Erhalten sind uns aus der Zeit des Kaisers Nero neun Tragödien des stoischen Philosophen Seneca dem Jüngeren, deren Gestalten er von den drei großen griechischen Tragikern Aischylos, Sophokles und Euripides übernahm. Dazu ist unter dem Namen Senecas eine weitere erhalten, die »Octavia«, die im kaiserzeitlichen Rom spielt. Man kann sich fragen, wie Seneca das Hervorheben der Affekte bei seinen Tragödiengestalten mit der stoischen Lehre vereinbarte, die in der völligen Herrschaft der Vernunft die menschliche Vollendung sah. Die Auskunft, die Darstellung diene der Abschreckung, befriedigt nicht ganz, denn die Ausmalung des Fürchterlichen menschlicher Leidenschaft und Raserei, zum Beispiel der Medea, ist offensichtlich auch Selbstzweck; sie entspricht dem Geschmack der Nerozeit, wie man an Schilderungen des Grauenhaften im Epos über den Bürgerkrieg sehen kann, das Lukan, Senecas Neffe, zur gleichen Zeit verfasst hat. Manches spricht dafür, dass es sich bei Senecas Tragödien um Lese- oder Rezitationsdramen handelt, war es doch seit der hellenistischen Zeit üblich, Dramenteile öffentlich zu rezitieren. Senecas Tragödien haben jedenfalls das europäische Trauerspiel nachhaltig geprägt.Prof. Dr. Hans Armin Gärtner und Dr. Helga GärtnerDihle, Albrecht: Die griechische und lateinische Literatur der Kaiserzeit von Augustus bis Justinian. München 1989.Kähler, Heinz: Rom und seine Welt. Bilder zur Geschichte und Kultur. 2 Bände. München 1958-60.
Universal-Lexikon. 2012.